Entwicklung der Spieleentwicklung
Wie die Spiele selbst, so hat sich auch die Spieleentwicklung in den letzten 20 Jahren stark weiterentwickelt. Aber während die Spiele in all den Jahren, mit Ausnahme einiger Nischenerscheiungen, dem grundlegenden Konzept treu geblieben sind, hat sich die Entwicklung der Spiele einen stärkeren Wandel unterzogen. Klar, Spiele sind größer, umfangreicher und grafisch aufwändiger geworden, aber die grundlegenden Prinzipien sind gleich geblieben. Die Regeln sind die selben, die Gernres sind weitestgehend die selben und auch die Ziele eines Spiels, nämlich das Unterhalten (auf welche Weiße auch immer, sei’s nun doch Erkunden, Kämpfen oder eine gute Story), ist gleich geblieben. Und das ist ja auch nichts schlechtes.
Der Aufwand für solche Produktionen hingegen ist enorm gestiegen. Nur mit viel Programmieraufwand kann ein Grundgerüst für moderne Spiele geschaffen werden, um dann die aktuelle Grafikleistung zu erbringen sind riesige Design-Departments notwendig. In früheren Zeiten schaffte ein Gamedesigner mit einem vergleichsweise winzigen Team einen damaligen Blockbuster umzusetzen.
Die großen Spieledesigner von damals haben jetzt keinen Erfolg, nur noch große Firmen. Um Größen wie John Romero, Will Wright und Warren Spector ist es schon vor einigen Jahren sehr ruhig geworden. Tim Schäfers großartiges “Brütal Legends” war ein kommerzieller Misserfolg aufgrund schlechten Marketings, mit seinem Adventure ist er sowohl bei den Publishern als auch bei der Crowdfunding-Community abgeblitzt. John Carmack beschäftigt sich nur noch mit Raketen und Virtual Reality und den Namen Peter Molyneux nur zu erwähnen löst bei einigen schon einen Schreikrampf aus.
Bietet die Games-Branche keinen Platz mehr für klassische Spiele? Wird es in Zukunft nur noch Mammutproduktionen a la Hollywood und einige Nischenbereiche geben?
Die Geißel Free-To-Play
Free-2-Play hat die Spieleentwickung ruiniert. Dabei ist weniger das Geschäftsmodell an sich das Problem als die Art wie es genutzt wird und wie sich die Branche entwickelt hat. An sich klingt F2P ja in Ordnung: ich probiere ein Spiel gratis und wenn es mir gefällt oder ich mehr davon möchte, kann ich Geld investieren. Das Problem hierbei ist, was bietet der Entwickler dem Spieler für sein Geld? Auf der einen Seite soll es die Spieler dazu motivieren tatsächlich Geld zu investieren, auf der anderen Seite können durch spielbeeinflussende Gegenstände Vorteile für Spieler entstehen die gerade bei Multiplayergames die Balance negativ beeinflussen können. Spieler die kein Geld investieren können dann mit zahlenden Spielern nicht mehr mithalten und aus Free-2-Play wird Pay-2-Win.
Und genau da setzt die negative Entwicklung an. F2P wurde von den Browserspielen der 90er aufgegriffen und daraus hat sich ein Industriezweig gebildet. Anstatt das Geschäftsmodell in richtige Spiele zu integrieren, sind neue Spiele entstanden die um das Geschäftsmodell herum designed wurden. Spiele bei denen der direkte Konflikt mit Mitspielern im Vordergrund steht, bei denen nicht zahlende Spieler gegen bezahlende keine Chance haben und im Spiel untergehen, oder Spieler deren Schwierigkeitsgrad exponentiell ansteigt, der Spielerfortschritt aber auf der Strecke bleibt. Während einige Spiele Boni nur gegen Geld anbieten, gibt es welche, die die Boni durch viel Spielzeit erarbeiten lassen. Bei den schwarzen Schafen sind solche Errungenschaften selbst für Dauerspieler unrealistisch und zerstören somit ebenfalls den Spielspaß. Diese Spiele wurden auch nicht von herkömmlichen Spielern angenommen, sondern haben eine vollkommen neue Zielgruppe geschaffen. „Spieler“ bei denen nicht der Spielspaß zählt, sondern das bezwingen des Spiels bzw. der Gegenspieler und das schnellere/einfachere Erreichen des Ziels durch die Investition von Geld. Es fanden sich erstaunlich viele Menschen, die bisher kaum bis gar keine Spiele angegriffen haben. Daraufhin sind Free-2-Play-Titel wie Pilze aus dem Boden geschossen und mit ihnen auf F2P spezialisierte Entwickler und Pulisher. Das Hauptziel der Spiele war nicht zu unterhalten, sondern möglichst viele Spieler, möglichst oft zu Mikrotransaktionen zu bewegen. Der Markt wurde überflutet mit massenhaft Produkten, die billig produziert wurden und deren Lebensdauer oft stark begrenzt war, dafür wurden Unsummen für Werbung aufgewendet. Werbung die Dinge versprach die man im Spiel selbst nicht finden konnte oder nur gegen viel Geld bekam, Werbung die besser aussah als das ganze Spiel, einfach um massenhaft Spieler anzulocken. Und zur Not tut’s nackte Haut. Die übrige Spieleindustrie hat immer wieder versucht das Free-2-Play-Modell zu adaptieren und von seinem schlechten Ruf zumindest teilweise zu befreien. Leider gibt es nur wenige positive Beispiele. Das MMORPG WildStar hat den Versuch gestartet Spielzeit sowohl für echtes Geld anzubieten als auch damit ingame handeln zu lassen. So können zahlende Spieler (die vielleicht weniger Zeit am Stück spielen können) Spielzeit gegen Spielewährung an viel spielende Spieler verkaufen die aber kein Geld investieren wollen oder können. Ein sehr positives Beispiel hat auch unter anderem Guild Wars 2 geschaffen. Das Spiel selbst muss zwar gekauft werden (wie z.B. auch WoW) es fallen aber keine laufenden Gebühren an. Zusätzlich gibt es einen Itemshop der aber überwiegend kosmetische Items anbietet. Außerdem kann das Ingame-Gold gegen die Premiumwährung getauscht werden. Alle Items sind somit auch erspielbar. Es existiert nur eine kleine Auswahl an Boostern, die aber nur für relativ kurze Zeiträume einen kleinen Boost geben. Diese Boosts erhält man auch im Spiel selbst. Ein weiterer kleiner Teil an Items dienen der Bequemlichkeit, sie verschaffen primär keinen Vorteil, sondern ersparen das Kaufen von Handwerkzeug und Wiederverwertungskits oder aktivieren Ressourcen in der Heimatinstanz. So spart man durch die speziellen Werkzeuge zwar das Kaufen solcher und das Anfüllen des Inventars, diese sind aber relativ teuer. Selbst Vielspieler würden sehr lange brauchen um mit dem Gold, das man nicht mehr für Werkzeug ausgeben muss, das Gold aufzubringen, das man für die entsprechende Menge Premiumwährung braucht.
Für Geld nur kosmetische Items anzubieten wurde von vielen Entwicklern aufgegriffen, aber auch hier gibt es negative Beispiele. Oft sind die Items unverhältnismäßig überteuert (ein Skin/Outfit mit dem Preis um den man schon ¼ eines Vollpreistitels bekommt), diese Tatsache wird mit der Angabe von Preisen in Prämiumwährung überdeckt. Der Spieler sieht nur den Preis in Diament, Kristallen und wie sie alle heißen, diese muss er dann in Paketen für echtes Geld erwerben. Solche Pakete sind meist kleiner oder größer als das gewünschte Item, es bleibt also immer etwas über. So verliert der Spieler den direkten Bezug zwischen Geld und Item. Andere Spiele weisen einen gravierenden optischen Unterschied zwischen erspielter Ausrüstung und gekaufter Ausrüstung auf. So sieht selbst Ausrüstung in hohen Levels vergleichsweise hässlich aus. Unseriöse Publisher schicken dann oft eigene Spieler mit Prämiumoutfit in die Spielwelt die diese dort vorführen und anpreisen. Das geht soweit, dass Spieler mit Standardkleidung verspottet werden um sie zum Kauf anzuregen. Solche Methoden sind vorallem im visuell geprägten asiatischen Raum verbreitet.
Schwarzes Schaf Mobile Games
Mitschuldig an der negativen Ausrichtung von F2P sind die Mobile-Games. Diese haben das F2P-Modell ad absurdum getrieben und werden von der klassischen Spielergemeinschaft weitestgehend nicht anerkannt. Grund dafür ist, dass die Urenkel von Snake und Co. eher geistige Verwandte der Facebook-Spiele sind als richtige mobile Spiele wie sie von Handheld-Konsolen bekannt sind. Die kurze Zeit vor Smartphones und App-Stores, in der man sich kleine Java-Spiele auf sein Handy laden konnte sind längst in Vergessenheit geraten. Damals war die Erwartung an die Smartphones in Zukunft Spiele spielen zu können wie sie von GameBoy und Super Nintendo bekannt waren. Tatsächlich haben Nintendo und Nokia versucht Handheld und Mobiltelefon zu vereinen, der Erfolg war aber nur mäßig.
Gekommen ist dann aber alles anders. Grund für den Erfolg von Free2Play bei Mobile-Games ist der geringe Preis der Apps. Eine App muss kostenlos sein oder im schlimmsten Fall nur wenige Euro kosten. Da es denkbar einfach für jedermann ist, Apps im Appstore anzubieten, gibt es stets meist mehrere Alternativen und ein Überangebot an Apps. Natürlich kann mit geschalteter Werbung zusätzlich verdient werden, hierbei stecken Google und Co. aber meist mehr ein als der Entwickler außerdem fühlen sich die Kunden von Werbung schnell belästigt. Mit Mikrotransaktionen lässt sich wesentlich mehr einnehmen und sie sind besser steuerbar. Mobile-Games sind daher alle relativ gleich aufgebaut. Der meist eher dürftige Inhalt ist oft zeitlich eingeschränkt. Das heißt die Anzahl der Spielzüge oder Level ist durch eine Ressource limitiert. Diese Ressource regeneriert über Zeit oder kann durch den Einsatz von Echtgeld aufgestockt werden. Der Schwierigkeitsgrad steigt relativ schnell an, der Fortschritt des Spielers bleibt aber auf der Strecke. Dem kann nur durch intensives Spielen oder durch das Investieren von Geld entgegengewirkt werden. Hierzu zählen alle Spiele mit RPG-Elementen sowie Aufbau- und Strategiespiele. Eine andere Gruppe von Spielen baut auf ein Sammelkartenprinzip auf. Dabei stellt der Spieler ein Team zusammen, um gegen die Teams von anderen Spielern oder die KI anzutreten. Die Mitglieder der Truppe werden durch Sammelkarten repräsentiert. Diese können Erfahrung gewinnen und Stufen aufsteigen. Durch Verschmelzen zweier oder mehrerer Exemplare der gleichen Karte entsteht eine verbesserte Version dieser Karte, die wiederum wieder aufgelevelt werden kann. Die Anzahl der Basiskarte die für die nächst bessere Version benötigt wird steigt quadratisch an. Nicht benötigte Karten können meist in Erfahrungspunkte umgewandelt werden. Höhere Kartenstufen haben oft bessere Werte, wenn die Ausgangskarten ihren Maximallevel erreicht haben oder sie können überhaupt erst dann verschmolzen werden. Das führt dazu, dass enorm viel Zeit und Karten notwendig sind. Karten sind zwar oft im Spiel erhältlich, in höherer Stückzahl und besserer Ausführung aber nur in Boosterpacks erhältlich die wieder echtes Geld kosten. Zur dritten großen Gruppe zählen Spiele die in irgend einer Form ein gewisses Maß an Geschicklichkeit und Touchgesten erforderlich. Dazu zählen Spiele wie Angry Birds und Endless-Runner-Spiele. Als letzte große Gruppe bleiben noch die Puzzlespiele wie Candy Crush und all seine Clone. Alle haben sie Mikrotransaktionen und diverse Limitierungen gemeinsam. Dazwischen gibt es kaum Spiele die erfolgreich von diesen Schemata abweichen. Diese Spiele haben eine komplett eigene Zielgruppe geschaffen, wie schon die Browser- und Desktop-F2P-Titel, zielen diese auf Personen ab, die kaum bis gar keine klassischen Videospiele spielen. Typische Spieler bevorzugen im mobilen Bereich Handheld-Konsolen. Wie Stephan Reichart schon im Gamesbusiness-Interview erwähnt hat war aber Free-2-Play absehbar und unvermeidbar und die Spieleentwicklung wurde nachhaltig dadurch beeinflusst.
Video killed the Radio Star
So groß der Dorn Free-2-Play auch im Entwicklerauge sein mag, man darf es nicht alleine als Grund für die Wandlung in der Spieleentwicklung geben. Auch andere Faktoren waren daran beteiligt. Wie schon Eingangs erwähnt waren die Teams die an einem Spiel gearbeitet haben kleiner, Entwickler die sich ihre Fähigkeiten oft selbst angeeignet haben. Aus der Homebrew-Szene heraus sind aus ihnen professionelle Spieleentwickler geworden, sie haben die Entwicklerbranche erst geschaffen. Heute gibt es überall spezialisierte Ausbildungszweige and Universitäten und Hochschulen oder sogar eigene Akademien für Game-Designer, -Artists und –Entwickler. Aber selbst das ist nicht notwendig um ein eigenes Spiel zu Entwickeln. Mit der Indie-Szene gibt es auch einen großen Absatzmarkt für Spiele ohne Millionen-Dollar-Budget. Spieleentwicklung ist einfach wie nie zuvor. Das führte in den letzten Jahren aber dazu, dass der Markt mit Massenproduktionen überflutet wurde. Hier zählt, wie bei den F2P-Titeln Quantität vor Qualität. Auch die Verbreitung dieser Spiele ist dank digitalen Absatzmärkten schnell und einfach. Einen großen Anteil daran hat eine Größe der Entwicklerszene, Gabe Newell. Mit Greenlight und Early-Access hat er zwei Features zu Steam hinzugefügt die weitreichende Folgen für die moderne Spieleentwicklung hatten. Zwei Features die er mittlerweile auch schon wieder bereut.
Durch Greenlight kann praktisch jeder ohne großes Budget und ohne Publisherdeal sein Spiel einem Millionenpublikum anbieten. Dieser gut gemeinte Ansatz hat leider zu einer undurchschaubaren Anzahl an qualitativ grauenhaften Produkten geführt. Natürlich sind darunter auch wertvolle Titel die so nie das Licht der Welt erblickt hätten.
Ähnlich sieht es im Bereich Early-Access aus. Das frühzeitige veröffentlichen und erhalten von Feedback hat so manches Projekt am Leben gehalten und verbessert. Projekte die sonst nie umgesetzt bzw. zu Ende gebracht worden wären. Der Alltag sieht aber leider anders aus. Steam ist voll von Early-Access-Leichen. Vor allem Titel im Bereich Open-World und Survival sind stark vertreten. Spiele die – ein wengi mehr als ein unfertiger Prototyp – auf die Kunden losgelassen wurden aber nie fertig gestellt wurden. Während bei einigen die Entwicklung schleichend eingestellt wurde, wurden bei anderen Titeln die Kunden einfach nur mit Totgeburten abgezockt. Klar, Early-Access-Titel sind als solche gekennzeichnet, dazu gibt es den Hinweis auf ein unfertiges, sich in Entwicklung befindliches Spiel, dennoch zerstören hier viele schwarze Schafe ein prinzipiell gutes System. Tröstlich ist, dass die meisten Titel für wenige Euro angeboten werden, abgesehen von wenigen vermessenen Ausnahmen die tatsächlich den vollen Preis verlangen.
Miese Produkte sind aber nicht das einzige Ergebnis der heutigen Spieleentwicklung. Immer einfach zu bedienende Tools und Engines machen die SPieleentwicklung einfach wie nie. Dabei ist es teilweise gar nicht mehr notwendig Programmierkenntnisse vorzuweisen. Und auch jenen Tools, die Programmieren erfordern, kommen meist mit einfachen Scripting aus. Das führt dazu, dass der Markt voll von potentiellen Spieleentwicklern ist, denen es aber an tiefer gehendem Wissen mangelt.
Situation in Deutschland
Anhand der nationalen Entwicklerszene sieht man sehr deutlich die Auswirkungen dieser Entwicklungen. Die deutsche Entwicklerszene befindet sich – nach einem Hoch in den 90ern und frühen 2000ern – auf einem absteigenden Ast. Früher lag der Fokus auf dem westeuropäischen bzw. deutschsprachigen Markt. Dort wurden auch große Erfolge erziehlt und einige starke Marken etabliert. Heute können diese Marken aber nicht mehr mit der internationalen Konkurenz mithalten und die bisherigen Märkte sind stärker umkämpft und reichen nicht mehr aus um große Produktionen zu finanzieren. Um mit bekannten Marken einen internationalen Erfolg zu erreichen mussten diese oft runderneuert werden, da Konzepte die im deutschsprachigen Markt für Erfolg gesorgt hatten, beim Rest der Welt nicht gut ankommen. Einige Marken hatten damit durchaus Erfolg. Anno, die aus Österreich stammende Wirtschaftssimulation wurde in Deutschland zu einer der bekanntesten Marken im europäischen Raum ausgebaut. Nach einer Runderneuerung gelang auch der Erfolg außerhalb Europas. Andere hatten weniger Glück, nach dem Gothic-3-Desaster versuchten sich die Jungs von Piranha Bytes an einer neuen Serie. Risen war aber nur ein mäßiger Erfolg, nicht nur wegen der inkonsistenten Story. Auch das neueste Projekt Elex wird mit gemischten Gefühlen betrachtet. Das Konzept ist gewagt und der Look gewohnt technisch veraltet. Ganz anders hingegen die “Erfolgsgeschichte” von CryTek. Nachdem diese – nach dem gelungenen Debüt FarCry – nicht mit dessen Fortsetzung betraut wurden, gelang ihnen mit Crysis ein internationaler Überraschungshit. Crysis stach vor allem durch seine technische und grafische Glanzleistung hervor. Mit der darauffolgenden Vermarktung der eigenen Engine wurde der Aufstieg von CryTek weiter beschleunigt. Der Absturz ließ aber nicht lange auf sich warten. Die Nachfolger von Crysis waren jeder weniger erfolgreich als der Vorgänger und die rasante Expansion des Entwicklers forderte ihren Tribut. Der Versuch auf den Free-2-Play-Hypetrain aufzuspringen war nicht nur ein negatives Signal nach außen, sondern kam auch viel zu spät. In den letzten Jahren musste sich der Entwickler immer wieder verkleinern und von aufgekauften Entwicklerstudios trennen. Nur weil sie den Fokus der eigenen Engine auf Architektur und andere, nicht mit Spielen verwandte Branchen gelegt haben, konnte CryTek weiterhin bestehen. Ein weiterer Fokus liegt jetzt auf der Entwicklung von VR-Anwendungen und -Spielen. VR wurde zwar in den letzten Jahren als die erfolgreiche Technologie der Zukunft präsentiert, das wurde sie aber auch schon in den 80ern. Erneut ist ein Massenerfolg fraglich und das allgemeine Interesse ist schon wieder am Abklingen. Neben den weniger bzw. kleiner werdenden großen Entwicklern (die meist in internationaler Hand sind) gibt es in Deutschland viele kleinere Studios und häufig hört man von Schließungen und Entlassungen. AAA-Titel werden nur noch selten entwickelt. Die letzte große Produktion die auch international Anerkennung fand war Lords of the Fallen von Deck13. Ein Risiko für das ursprünglich sehr kleine Team, eines, dass sie laut eigenen Angaben nicht noch einmal eingehen würden.
Situation Österreich
In Österreich herrscht, eine dem Maßstab entsprechende, ähnliche Situation, nur das hier keine internationalen Branchengrößen mehr Vertreten sind. Bekanntere Entwickler haben aufgehört oder sind abgewandert, wie etwas Deep Silver Vienna. Rockstar Vienna wurde wegrationalisiert und JoWood hat sich selbst durch Unvermögen, Fehlentscheidungen und Schuldzuschiebere ins Aus katapultiert. Infolgedessen wurden viele neue kleine Studios gegründet. Einen Namen machen konnten sich aber nur die wenigsten. Einige existieren seit Jahren aber konnten bis vor kurzem kein einziges eigenes Spiel im Portfolio vorweisen. Die meisten haben sich durch Auftragsarbeiten am Leben gehalten. Cliffhanger konnte zwar eine wertvolle Lizenz (ShadowRun) erwerben, diese wurde aber strategisch schlecht eingesetzt. Ein verzögerter und technisch problematischer Launch hat sein übriges dazu beigetragen. Der Titel von Cliffhanger ist bei weitem nicht so erfolgreich wie andere ShadowRun-Umsetzungen. Infolge dessen musste die Entwicklersparte von Cliffhanger vor knapp 2 Jahren Insolvenz anmelden. Ähnlich ging es vor kurzem dem bisher größten Entwickler des Landes, Sproing. Dessen Fokus liegt, nach einigen Gehversuchen auf Nintendo-Konsolen, auf Browser- und Mobile-Games. Nach einem zwar erfolgreichen Start eines “Asterix und Obelix”-Lizenztitels für Smartphones, musste Sproing trotzdem Ende letzten Jahres die Hälfte der Mitarbeiter entlassen. Ein eigenes Mobile-Game wurde wieder aus dem App-Store entfernt. Allgemein gibt es in Österreich viele kleine Studios, von denen nur wenige über den “Indie”-Status hinausgelangt sind. In den letzten Jahren wurden keine nennenswerten Titel hervorgebracht. Die Entwickler beharren auf ihrer Unabhängigkeit, sie scheuen daher größere Kooperationen mit Publishern. Die Angst vor der Abhängigkeit bzw. der Verlust der ISPs ist zwar verständlich, kommen viele der Veteranen von Rockstar Vienna, eine Weiterentwicklung der Branche kann dadurch aber kaum stattfinden. Genau das kritisierte auch schon Thomas Mahler mit harschen, aber dennoch großteils richtigen Aussagen. Mahler gelang mit einem internationalen Team der Überraschungserfolg “Ori and the Blind Forest”. Mahler macht sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt Feinde mit seinen Aussagen. In einem Standard-Interview kritisierte er die österreichische Spieleindustrie scharf, vor allem was fehlende Finanzen, Talente und Risikobereitschaft der Entwickler angeht. In einem subotron-Talk trifft Thomas Mahler auf einige der heimischen Entwickler. Auch hier nimmt er kein Blatt vor den Mund, mit: „Sproing hat 17 Jahre Erfahrung und noch nie ein gutes Spiel gemacht.”, zeigt er recht deutlich seine Meinung. Viele wollen ihn hassen, seine Aussagen enthalten aber einen wahren Kern und dass er nicht nur groß Reden sondern auch ordentliche Ergebnisse abliefern kann, hat er mit Ori eindeutig bewiesen. Die Angegriffenen haben daraufhin genau das gemacht was Mahler ihnen vorgeworfen hat, sie haben sämtliche Kritik von sich gewiesen und sind wieder in Selbstbeweihräucherung verfallen, einer sehr österreichischen Eigenschaft.
Zwei Jahre später hat sich wenig geändert, Sproing versucht nach den Entlassungen wieder auf Kurs zu kommen und Mi’Pu’Mi – die sich bisher mit Auftragsarbeiten für Hitman (IO Interactive) über Wasser gehalten haben – veröffentlichen gerade ihre erste Eigenproduktion in Episodenform. Das Point-And-Click-Adventure wurde aber außerhalb der Indie-Szene bisher kaum bemerkt. Thomas Mahlers kritische Worte sind immer noch gültig und ein Aufschwung in der österreichischen Games-Branche ist derzeit nicht in Sicht.
- Interview zum Status Quo in der deutschen Spieleentwicklung Teil 1
- Interview zum Status Quo in der deutschen Spieleentwicklung Teil 2
- Thomas Mahler im Standard-Interview
- Subotron-Talk: Mahler gegen die österreichischen Entwicklerstudios
- Eine relativ neutraler Bericht von vice.com